Vortrag auf der IA-Konferenz 2014 in Berlin.
Wie ändert sich für digitale Services die Art der Zusammenarbeit?
Welche Rolle spielt "Fail fast and fail cheap"?
Wie werden Stakeholder früh eingebunden, um das späte Scheitern von Projekten zu vermeiden?
Und natürlich einige Tools, die uns bei jedem Projekt helfen:
OpenSpace Konferenzen
Business Model Canvas
Design Studio
Letztendlich geht es um gute User Experience (UX). Und da wirken alle mit.
4. „Nein, wir zeigen Ihnen unsere eigenen
Vorstellungen nicht.
Wir wollen sehen, was Ihnen einfällt und dann
„challengen“ wir Sie damit.“
Das ist doch gequirlter Mist!
Ich wollte eigentlich was über Werkzeuge und Methoden für Service Design im Team erzählen. Aber es geht ja im Kern um tolle digitale Services.
Und dafür müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Ich kann mit super Methoden arbeiten, aber das nützt alles nichts, wenn danach jemand aus Unwissenheit oder interner Firmenpolitik meine Konzepte mal eben über den Haufen wirft.
Daher erzähle ich erst mal was über den organisatorischen Rahmen: Über das Verhältnis von Auftraggeber und Agentur, über die Abschaffung von Projektabnahmen und über die Arbeit im Team.
Danach kann ich dann ja noch ein paar Methoden vorstellen…
Das alte Modell: Der Kunde holt sich eine Agentur, brieft die Agentur. Die Agentur macht was, stellt es irgendwann dem Kunden vor und hofft, dass es irgendwie gutgeht.
Es werden dann Dinge produziert, die hoffentlich gut sind. Irgendwann wird das dann dem Kunden (egal ob extern oder intern) präsentiert. Was dann nie kommt ist „Super, so machen wir’s.“
In der Regel kommt „Haben Sie auch berücksichtigt, dass es das Produkt auch noch in 15 verschiedenen Farben gibt.“ Oder „Das wird so nicht gehen. Die Datenbank kann das nicht.“ Oder „Könnte man das nicht auch ganz anders machen?“
Das liegt auch in der Natur der Sache. Wenn ich einen Entscheidet in ein Meeting hole, wo er was entscheiden soll, dann muss er schon aus Prinzip noch was kritisieren oder ändern wollen. Manchmal ja auch absolut zu Recht.
Das Modell funktioniert so nicht. Schon gar nicht bei komplexen digitalen Services.
Ganz blöd wird es, wenn dann auch noch diese typische „Ich bin der Kunde und du bist der Boss“ Haltung ins Spiel kommt. Das gilt bei internen Projekten eher nicht.
Also, wir müssen anders arbeiten, damit tolle Dinge entstehen, die auch Spaß machen. Dabei geht es um die Art, wie Auftraggeber und Team zusammenarbeitet, um die Arbeit im Team, um ein ganz anderes Selbstverständnis bei den „Agenturen“ und ganz am Schluss auch um neue/andere Methoden.
Wie sieht die „neue“ Form der Zusammenarbeit aus?
Es wird Kompetenz eingekauft. Es werden Ressourcen eingekauft. Dazu kann auch das Projektmanagement zählen.
Es wird kein Briefing rausgegeben, sondern es wird gemeinsam der Rahmen erarbeitet.
Aus Agenturen werden Wissen- und Ressourcen-Pools und damit zum Partner auf Zeit.
Ach ja, es gibt natürlich noch jemanden, der die Rechnung bezahlt.
Bei der Umsetzung in agilen Projekten ist das ja in der Theorie (und manchmal auch in echt) schon gegeben. Bei den kreativen Projekten davor fehlt das leider noch sehr oft.
Ein wichtiger Grund.
fail fast, fail cheap
„Sie sind doch die Agentur. Wieso kann denn das dann schiefgehen.“
„Ich bezahle doch keinen Profi dafür, dass er Fehler macht…“
Um Dinge auszuprobieren und Fehler zu akzeptieren, muss man gemeinsam arbeiten. Und schnell. Dem stehen die klassischen Methoden „machen, abstimmen, neu machen, wieder abstimmen“ im Weg.
Digital ist die neue Fabrik. Digitale Services sind mindestens der wichtigste Vertriebsweg oder oft sogar der 3er BMW. Also das Produkt. BMW lässt den 3er ja auch nicht von einer Agentur entwickeln.
Kernkompetenz bleibt im Haus. Das kann man draussen auch gar nicht aufbauen. Das ist gerade ein großer Trend. Ich merke das daran, welche Anfragen wir für In-Haus-Schulungen bekommen.
Überall entstehen interne UX-Teams. Ob das so richtig ist, kann man auch lange diskutieren, aber dafür reicht hier die Zeit nicht.
Fakt ist: Ein großer Teil der Kompetenz ist immer im Unternehmen.
Warum mache ich nicht alles intern selber?
Keine Sorge, gibt es schon. Passiert gerade ständig. Wen wir im Moment so alles in Axure schulen, ist schon spannend.
Allerdings merkt man dabei auch oft, wo die Grenzen sind:
Innensicht macht blind
Innensicht macht dumm
Meine Überzeugung dabei ist, dass die Unterstützung von draussen bleiben wird, oder sogar wieder zunimmt.
Aber hoffentlich nie wieder zu „Machen Sie das mal für uns…“
So, jetzt haben wir tolle gemeinsame Teams. Kommen jetzt zu den Tools? Nein, denn noch werden die Projekte trotzdem noch scheitern. Vielleicht nicht mehr so grandios, aber scheitern tun sie doch.
Und das liegt am HIPPO und an der Pyramide, die auf dem Kopf steht.
Am Anfang arbeitet ein kleines Projekt-Team. Es gibt ein Briefing und los geht’s.
Je konkreter das Projekt, desto hochkarätiger werden die Abnahme-Meetings. Ganz zum Schluss kommt die große „Jetzt stellen wir es dem Vorstand vor“-Show. Und spätestens da passieren oft schlimme Dinge. Die Entscheidet meinen das auch gar nicht böse. Sie strampeln in ihrem eigenen Hamsterrad und versuchen, dass das Licht immer leuchtet. Darüber zu sprechen führt hier zu weit. Nächstes Jahr…
Wie sollte es laufen?
Der Vorstand oder HIPPO und alle, die sonst immer am Schluss in den Abnahme-Meetings dabei sind, kommen stattdessen zu Projektbeginn zwei Tage im Projekt. Und zwar um gemeinsam zu arbeiten und die Kernidee zu entwickeln. Und natürlich, um den User kennen zu lernen. Wenn die Idee nach ein paar Tagen dann irgendwann steht, kann man schnell den ersten Prototypen bauen und testen. Da sind die Chefs dann auch wieder mit dabei und sehen, was schon funktioniert und überlegen wieder mit, was noch zu ändern ist.
Warum kann man eigentlich nicht am Schluss entscheiden?
Gründe dafür
digital ist komplex
Es gibt extrem viele Faktoren, die mit reinspielen (Nutzer, Technik, Legal, Wettbewerb, Produkt, Ressourcen, Zeit…)
digital ist ein Kompromiss
Im Ergebnis entsteht immer ein Kompromiss. Die hohe Kunst ist es, den richtigen Kompromiss zu finden mit den richtigen Prioritäten. Da kommt dann der „Product Owner“ ins Spiel. Bauen wir etwas Tolles für die Kunden oder etwas, das schnell umzusetzen ist. Über Product Owner kann man auch lange sprechen…
digital ist Kunst
Hier wird es jetzt ganz schwierig für die HIPPOs. Letztendlich steckt in den wirklich guten Sachen immer auch ein Schuss Genialität. Das kann man dann nicht mehr rational ableiten. Da muss man einfach dran glauben.
Darum haben Künstler auch keine Abnahme-Meetings.
Das geht leichter, wenn man bei der Entstehung der Idee dabei war. Aus dem Grund gibt es auch so wenig kreative Marketing-Kampagnen. Viele Gewinner goldener Löwen oder ADC-Nägeln sind oft Projekte, die nur deswegen gestartet wurden. Wir machen was richtig kreatives für dich (für umsonst), aber du musst uns auch machen lassen.
Noch ein Abstecher zu den Teams:
Vertrauen
Im Kern ist das Ganze hier ein Plädoyer für mehr Spaß bei der Arbeit. Bereitschaft, für das Team zu arbeiten. Man weiss nicht mehr, von wem die Idee jetzt war.
Infrastruktur
Man muss auch arbeiten können. Dazu braucht es passende Räume, passende Werkzeuge
DU
Ganz wichtig: Ich glaube, mit „Herr Schmidt, können Sie mal die die Wand zur Seite stellen“ und „Gerne, Frau Meier“ wird es schwer…
Jetzt kann ich doch noch etwas zu Methoden erzählen…
OpenSpace ist vermutlich die ungewöhnlichste Methode hier heute. Selbstorganisierte Workshops für große Teams.
Damit stelle ich die Pyramide mal so richtig auf die breite Seite. Die Bilder sind aus einem Projekt aus dem Februar: 44 Leute an zwei Tagen (38 Mitarbeiter eines Online-Portals, 2 Kollegen von eparo und vier von uns rekrutierte echte Nutzer).
Die Fragestellung: „Was muss passieren, um unser Portal wieder richtig nach vorne zu bringen.
Das Ergebnis: 24 Sessions, 14 Projektansätze, 6 konkrete Projekte für die nächsten 6 Wochen.
Und ganz viel Aufbruchstimmung.
Das Geheimnis liegt in der guten Vorbereitung. Notizbücher, Räume, Material, Ablauf.
Alles muss stimmen, damit die Teilnehmer einfach nur arbeiten können.
Wir hatten 8 Plätze für individuelle Sessions. Die wurden auch genutzt.
Jeder hatte sein Notizbuch dabei. Der besondere Clou: die kleine Gummischlaufe, wo ein Stift drin war. Und zwar einer, mit dem man gut schreiben konnte oder Skizzen machen.
Noch eine Methode für ganz am Anfang: Business Model Canvas
Eine grafische Art, Geschäftsmodelle zu erarbeiten und zu visualisieren. Der Fokus liegt auf schnell und übersichtlich.
Da sind wir wieder bei der Infrastruktur. So eine 5 Meter breite und 2,5 Meter hohe Magnetwand hilft ungemein. Und natürlich wieder Post-its in möglichst vielen Farben. So entsteht in einem Tag ein gutes Bild für das neue Geschäftsmodell. Was man hier sieht, ist natürlich wieder typisch:
Sehr viele Features und Ideen bei der Value Präposition. Eher wenig bei Kosten und Einnahmen:-)
Kern-Innovations-Instrument ist die Design-Studio-Methode, in der auf strukturierte Art und Weise in kürzester Zeit eine Großzahl möglicher Konzeptideen entstehen – angeleitet und ausgerichtet auf ein klares Nutzerbedürfnis.
Idealerweise arbeitet hier im Kern ein cross-funktionales Team, das alle am Projekt beteiligten Disziplinen bündelt und einbringt.
Im wesentlichen geht es darum, möglichst schnell möglichst viele Ideen zu generieren. Und vor allem die im Kopf verankerten Ideen erst mal raus zu bekommen.
Die initialen Ideen werden vorgestellt, gelobt/kritisiert. Dann neue Ideen produziert und weitere Runden gedreht. Am Schluss bleibt meist ein Ansatz übrig.
Und der hat NIE irgendwas gemein mit den ersten Ideen, die gemalt wurden…
Es gibt unzählige Methoden und Wege, Dinge zu tun. Wichtig ist, sich immer wieder neu inspirieren zu lassen.