Präsentation der mündlichen Verteidigung der Doktorarbeit mit dem Titel: Von Open Access zu Open Science: Zum Wandel digitaler Kulturen der wissenschaftlichen Kommunikation am Promotionskolleg "Wissenskulturen / Digitale Medien" der Leuphana Universität in Lüneburg.
Disputation: Von Open Access zu Open Science: Zum Wandel digitaler Kulturen der wissenschaftlichen Kommunikation
1. Disputation Christian Heise
Von Open Access zu Open
Science: Zum Wandel digitaler
Kulturen der wissenschaftlichen
Kommunikation
Disputation Christian Heise (3019914)
10.02.2017
Promotionskolleg Wissenskulturen / Digitale Medien
Leuphana Universität Lüneburg
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Relevanz des Themas
• Auseinanderdriften der Interessen zwischen der privatwirtschaftlichen Nutzung
wissenschaftlicher Erkenntnisse und der ursprünglichen Aufgabe von Wissenschaft,
neues überprüfbares Wissen zu produzieren und zu verbreiten
• Aktuelles System steht auch praktisch dem Bestreben, dass es der Wissenschaft im
Kern um Erkenntnisse und die uneingeschränkte Zurverfügungstellung dieser geht
(zumindest teilweise) entgegen
• Wissenschaftliche Publikations- und Kommunikationskrise: Als Resultat von
wachsendem Kostendruck, Preissteigerungen, Herausforderungen bei der
Überprüfung und die Einschränkung des Zugriffs auf wissenschaftliche
Informationen
• Neue Möglichkeiten der Dissemination rufen Wandel externer und informeller
Kommunikation hervor
• Herausforderungen bei der Wahrung der Freiheit von Wissenschaft und Forschung
bei möglichst uneingeschränkter Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse
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Forschungslücken (u.a.)
1. Wenige Bemühungen die bisherigen Entwicklungen im Bereich der
Forderung nach Öffnung wissenschaftlicher Kommunikation aus
geistes- und kulturwissenschaftlicher Perspektive genauer zu
untersuchen
2. Wenig Erkenntnisse über die Öffnung wissenschaftlicher
Kommunikation und deren Gegenüberstellung empirisch erhobener
Daten
3. Kaum Versuche die theoretischen Erkenntnisse praktisch-
experimentell zu überprüfen
4. Wenig differenzierte Diskussion und kritische Ausblicke für weitere
Entwicklungen im Sinne der Verarbeitung von Forschungsergebnissen
sowie der Anwendung und Neuinterpretation von Ergebnissen
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Hypothesen
1. Die Forderungen nach Öffnung wissenschaftlicher Kommunikation stehen in
engem Zusammenhang mit der technologischen und politischen Entwicklung
2. Konzepte um Open Access und Open Science sind stark fragmentiert
3. Die Öffnung des Zugangs zu wissenschaftlichen Erkenntnissen für die
Gesamtgesellschaft (Open Access) befindet sich in einer andauernden
Übergangsphase zur Öffnung des Zugriffs auf den gesamten wissenschaftlichen
Erkenntnisprozess (Open Science)
4. Die sich daraus ableitenden Fragestellungen umfassen die theoretische
Bedeutung und Historie von Offenheit im Rahmen der wissenschaftlichen
Kommunikation
5. Öffnung von wissenschaftlicher Kommunikation ist A) unterschiedlich stark in den
verschiedenen wissenschaftliche Fachrichtungen ausgeprägt, akzeptiert und
verbreitet, B) eben nicht eindeutig definiert und C) wird von Wissenschaftler/innen
selbst gebremst/abgelehnt.
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Herangehensweise
• Interdisziplinärer Zugang zur wissenschaftlichen Bearbeitung
• Kulturwissenschaften, Politikwissenschaften und die
Wirtschaftswissenschaften bis hin zu Medienwissenschaften.
• Angelehnt an Wissenschafts- und Technikforschung
• Nutzung empirischer, analytischer, sowie experimenteller
Methoden
—> (Methoden-)Mix ermöglicht es, die Auswirkungen auf die
Kommunikation von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen
möglichst vollumfänglich zu beschreiben
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Intellektuelle kontemplative
Perspektive
• Abarbeitung der definitorischen und praktischen Fragen um die Begriffe
Open Access und Open Science, sowie historische Herleitung
• Theoretische Untersuchung, welche Auswirkungen (positiv/negativ) der
digitale Wandel und die Forderung nach Öffnung der wissenschaftlichen
Kommunikation haben können
• Erste Untersuchung und Verhandlung theoretischer Annahmen und
unterschiedlicher Definitionsversuche rund um die Etablierung offener
wissenschaftlicher Kommunikation
—> Erarbeitung theoretischer Motive und Beweggründe für
Wissenschaftler/innen, sowie Faktoren und Rahmenbedingungen, die
Offenheit in den unterschiedlichen Disziplinen ermöglichen oder
verhindern
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Perspektive des
Beobachters
• Empirische Erforschung der aktuellen Rahmenbedingungen für
Wissensproduktion und -verbreitung
• Abfragen der Voraussetzungen für Öffnung wissenschaftlicher
Kommunikation und der daraus resultierenden Konsequenzen durch
Befragung der wissenschaftlichen Akteure
• Theoretisch erarbeitete Grundannahmen mithilfe der Befragung
überprüfen
• Vergleich mit der Vorbefragung im Jahr 2007 (SOFI- Befragung)
ermöglicht Erweiterung des bestehende Wissens im Untersuchungsfeld
—> Erhebung über die Treiber und Bremser bei der Etablierung der
Öffnung von Wissenschaft und Forschung, Prüfung der Annahmen
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Perspektive des aktiven
Teilnehmers
• Praktizieren von Offenheit bei der Erstellung der Doktorarbeit
• Selbstbetrachtung der Rolle von offenem Wissen und Technologie für
wissenschaftliche Kommunikationsprozesse
• Auseinandersetzung mit den Beweggründen und der eigenen Position bzgl. der
anhaltenden Forderungen nach Öffnung wissenschaftlicher Kommunikation unter
dem Einsatz von Technik als soziales und kulturelles Phänomen
• Reflexion darüber, wie die eigenen Erfahrungen den Forschungszusammenhang
beeinflussen
• Praktischer Beitrag über ein Realexperiment zu der Debatte über Neugestaltung
wissenschaftlicher Kommunikation
—> Herausarbeitung von Handlungsmöglichkeiten, Probleme und Hemmnisse und
Anknüpfungspunkte für weitere Forschungsbemühungen eruieren + Beitrag zur
Aushandlung von Offenheit leisten
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Grundlagen und Definition
• Chronologische Darstellung der Entwicklung wissenschaftlicher
Kommunikation durch Literaturstudie
• Genauere Betrachtung und historische Einordnung der
Forderung nach der Öffnung wissenschaftlicher Kommunikation
• Darstellung der theoretischen Veränderungen von
Wissenschaftskommunikation durch die Digitalisierung
• Erarbeitung im Kontext der wissenschaftlichen Reputation, des
wissenschaftlichen Ethos, sowie Diskurses
—> Theoretische Betrachtung stellt die Grundlagen für den
Methodenmix der Befragung und ethnographischen Betrachtung
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Quantitative Datenerhebung
• Quantitative teilstandardisierte Datenerhebung (Online-Befragung) vom 18.
August 2014 bis zum 18. Januar 2015 auf den theoretisch erarbeiteten
Grundlagen und Definitionen als Erforschung von Tatbeständen (Exploration)
• Untersuchung unter 1.112 Wissenschaftlern, welche Auffassungen und
Annahmen in Bezug auf den postulierten Wandel wissenschaftlicher
Kommunikation im Rahmen von Offenheit und Digitalisierung vorherrschen und
inwiefern diese mit anderen Aspekten des wissenschaftlichen
Kommunikationssystems (im Alltag) korrelieren
• Vergleich mit der Studie "Neue Formen des Wissenschaftlichen Publizierens"
aus dem Jahr 2007 vom Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen (SOFI
2007)
—> ermöglicht Betrachtung der historischen Entwicklung der Thematik im
deutschsprachigen Raum, greift bereits erarbeitete Grundlagen und Definitionen
auf, unterstreicht die Bemühungen zur Absicherung der wissenschaftlichen Güte
und bildet Grundlage für dritte Perspektive (Realexperiment)
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Das Experiment als wissenschaftliche
Methode und Offenes Schreiben dieser
Arbeit
• Ausprobieren ist der effektivste Weg, sich selbst zu korrigieren und
weiterzukommen (verschiedene Perspektiven)
• Anspruch: Arbeit und alle damit verbundenen Daten unter sollten jederzeit frei
und offen im Internet einsehbar und reproduzierbar sein
• Dokumentation des offenen Verfassens dieser Arbeit als Selbstexperiment
• Erarbeitung von Hürden, Grenzen und Aufwand, die durch die Öffnung der
formellen Kommunikation für Wissenschaftler tatsächlich entstehen
• Rahmenbedingungen sollten so nahe wie möglich an den Forderungen von Open
Science und den Erklärungen zur Öffnung wissenschaftlicher Kommunikation
orientieren (BOAI, Berliner Erklärung usw.)
—> Ermöglicht es den theoretischen und empirischen Erkenntnissen ein
Realexperiment gegenüberzustellen und die Erkenntnisse praktisch zu überprüfen
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Aufbau der Arbeit
1. Einführung in die Thematik, in die Relevanz des Themas, sowie die Beweggründe und Positionen des Autors
2. Kapitel Grundlagen: Chronologie, Begriffsbestimmungen und Debatten des Themenbereiches werden
genauer betrachtet.
3. Im Kapitel Herausforderungen in der wissenschaftlichen Kommunikation werden die aus den Debatten in
der Literatur ausgearbeiteten Herausforderungen dargestellt, sowie Anknüpfungspunkte für die empirische
Untersuchung abgeleitet.
4. In Methoden und Vorgehen werden Vorüberlegungen zur Methodenwahl angestellt, die Forschungsfragen
ausformuliert, sowie der angewandte Methodenmix beschrieben, begründet und kritisch betrachtet.
5. Im Kapitel Befragung: Öffnung von Wissenschaft aus der Perspektive von Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftlern wird die Online-Befragung zur Prüfung der identifizierten Katalysatoren und Hindernisse
für die Öffnung von Wissenschaft und Forschung dokumentiert und ausgewertet.
6. Das Kapitel Offenes Verfassen einer Dissertation im Sinne eines Realexperimentes und die Dokumentation
des Experiments erweitern den empirischen Ansatz der Befragung um praktisch gewonnene Erkenntnisse.
7. In den letzten beiden Kapiteln werden die gewonnenen Ergebnisse und die Vorgehensweise, sowie die
Fragestellungen dieser Arbeit kritisch diskutiert sowie abschließend zusammengefasst.
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Weitere Herausforderungen
bei der Erstellung der Arbeit
1. Grundsätzliche wissenschaftliche Bearbeitung des Feldes, insbesondere in der
Kombination akademische Arbeit und Aktivismus
2. Schaffung der technischen und rechtlichen Rahmenbedingungen für das
Promotionsvorhaben sowie Beseitigung der Hürden
3. transdisziplinärer Ansatz
4. Einarbeitung in den Ansatz der Digitalen Wissenskulturen
5. Kombination quantitativer, wie qualitative Verfahren in der empirischen
Untersuchung, sowie Verknüpfung mit experimentellen und autoethnographischen
Verfahren
6. Vergleich der quantitativen Datenerhebung mit Vorgänger-Studien Erschließung
der historischer Dimension
7. wissenschaftliche Analyse von Wissenschaft selbst - reflexives Projekt
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Ergebnisse (1)
1. Es konnte eine mehrheitliche Zustimmung und ein überwiegend großes
Interesse an der Öffnung wissenschaftlicher Kommunikation festgestellt
werden
2. Dem theoretischen und ideellen Interesse an der Öffnung steht ein
praktisches Alltagsdesinteresse an der Auseinandersetzung mit dem Thema
gegenüber
3. Das wissenschaftliche Kommunikationssystem bleibt unverändert stabil
und die zunehmende Nutzung digitaler Werkzeuge führt bisher zu keiner
strukturellen Veränderung von Wissenschaft oder fundamentaler Veränderung
im Publikationsverhalten
4. Keine Anreize für die einzelnen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen
ersichtlich, dass deren Eigeninteresse in Bezug auf die möglichst große
Verbreitung von Erkenntnissen mit dem Wohl der Wissenschaft und dem
der Öffentlichkeit gleichermaßen harmonieren
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Ergebnisse (2)
5. Bisher kein Aushandlungsprozess ersichtlich, wie die Entwicklungen
aus Sicht der wissenschaftlichen Gemeinschaft in Zukunft konkret (mit-
)gestaltet werden können
6. Die offene Erstellung einer Doktorarbeit ist grundsätzlich möglich
allerdings muss der "Open Scientist" entweder selbst befähigt zu sein zu
programmieren, beziehungsweise bestehende Software den eigenen
spezifischen Bedürfnissen anzupassen
7. Durch die offene Schreibweise sind bisher weder fundamentale
Vorteile, noch unlösbare Hürden für den publizierenden Wissenschaftler
oder die Wissenschaftlerin erkennbar
8. Im digitalen Zeitalter besteht der Kern kommunizierbaren Wissens nicht
mehr aus dem gedruckten Wort, sondern aus Code und Daten (Doktorarbeit
als Datensatz u.a. GitHub & Zenodo)
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18. / 18Disputation Christian Heise
Limitationen & Implikationen
für weitere Forschung
• Konkrete Konsequenzen und Auswirkungen auf die Wissenschaft konnten im Rahmen dieser
Arbeit nicht weiter untersucht werden
• Grenzen von Offenheit: auch im Rahmen dieser Arbeit war die Veröffentlichung jedweder
Kommunikation nur in begrenztem Maße möglich und erwünscht
• Klärung, inwiefern und in welchem Umfang die Öffnung des gesamten wissenschaftlichen
Erkenntnisprozesses einen wünschenswerten Schritt darstellen
• Erarbeitung wirtschaftlicher Konsequenzen z.B. bei der Umstellung des Publikationssystems
vom Verkauf der Inhalte auf eine Voraberstattung der Kosten für die Publikation
wissenschaftlicher Erkenntnisse durch die öffentliche Hand
• Konkurrenz zwischen der wissenschaftlichen und medialen Kommunikation im Rahmen der
Forderung nach mehr Öffnung und deren Konsequenzen
• Untersuchung der Themen Datenschutz und der Missbrauch von Forschung nötig
(fakescience)
• Rolle und Konsequenzen neuer Möglichkeiten der Kontrolle, Überwachung und Quantifizierung
individueller wissenschaftlicher Tätigkeiten (Wissenschaftsfreiheit)
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privatwirschaftliche Nutzung wissenschaftlicher Erkenntnisse vs wissenschaftlicher Anspruch überprüfbares Wissen zu verbreiten
auch praktisch
Wissenschaftliche Publikationskrise -> Publikationdruck, Cargo-Cult-Science usw
Neue Möglichkeiten: Konsequenz dieses Wandels sind Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen heute in der Lage, ihre Arbeiten öffentlich auf diversen digitalen Plattformen darzustellen, sich so von der Kommunikation über professionelle wissenschaftliche Fachmedien zu "befreien" und direkt mit Teilen innerhalb und außerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft zu interagieren
Debatten um Wahrung der Freiheit von Wissenschaft
Ziel STS: soziotechnischen Entwicklungen, den sozialen, kulturellen und politischen Dynamiken, die Wissenschaft und Technik formen, sowie der Frage, wie diese Dynamiken zukünftig Gesellschaft, Politik und Kultur beeinflussen
Definitionen und Theorie auch historische Herleitung
Auswirkungen theoretisch erarbeiten
theoretische Verhandlung
Empirische Erforschung der Rahmenbedingungen
Vorraussetzungen
Grundannahmen empierisch abbrühen
Historische Dimension durch Vergleich mit Vorberatung
1. nichts liegt näher (wenn man über wissenschaftliche Kommunikation wissenschaftliche Kommuniziert diese direkt daran zu untersuchen
kürzen
Rohdaten zeitnah anonymisiert veröffentlicht (Webseite, GitHub & Datenrepositorium des GESIS)
2. Es wird zunächst die Entwicklung wissenschaftlicher Kommunikation chronologisch dargestellt, auf die Forderung der Öffnung wissenschaftlicher Kommunikation und auf Veränderungen durch die Digitalisierung eingegangen und diese in den Kontext der wissenschaftlichen Reputation, des wissenschaftlichen Ethos und Diskurses gestellt.
5. Dabei wird auf die Defizite und die aktuellen Debatten um die Begriffe "Open Access" und "Open Science" auf Grundlage der Erkenntnisse aus den vorhergehenden Kapiteln zurückgegriffen.
6. Diese Herangehensweise ermöglicht es, einen primär verstehenden Zugang zu den Forschungsfragen und den Zielen der Arbeit zu erhalten und diesen in Form einer Selbstbeobachtung zu dokumentieren. Im Ergebnis werden Vorteile und Nachteile der offenen Anfertigung der Arbeit dargestellt, die Praxistauglichkeit überprüft, der Aufwand dokumentiert und Handlungsempfehlungen für das offene Verfassen wissenschaftlicher (Qualifikations-)Arbeiten abgeleitet.
2. darunter politikwissenschaftliche, medienwissenschaftliche und -theoretische, wissenschaftstheoretische, -soziologische –anthropologische und – historische sowie eher den Science and Technology Studies
, welche möglichen Nebenfolgen durch eine offene Wissensproduktion entstehen und ob es sich bei den postulierten Veränderungen um eine wissenschaftliche Revolution oder um kleinere Anpassungen an die bestehenden Paradigmen und traditionsgebundenen Aktivitäten der Wissenschaft handelt.